Kugelschreiber

Wenn der Füllfederhalter der edle Recke der Schreibkunst ist, ist der Kugelschreiber sein kleiner, unscheinbarer Page. Das liegt aber nicht an seiner mangelnden Leistung. Der Kugelschreiber hat schlicht ein Imageproblem ... Weiterlesen

Ratgeber

Edle Kugelschreiber. Oft unterschätzt und doch bahnbrechend.

Wenn der Füllfederhalter der edle Recke der Schreibkunst ist, ist der Kugelschreiber sein kleiner, unscheinbarer Page. Das liegt aber nicht an seiner mangelnden Leistung. Der Kugelschreiber hat schlicht ein Imageproblem – er leidet an der schieren Masse seiner eigenen Existenz. „Jeder von uns hat einen Kugelschreiber zu Hause, aber niemand hat sich je einen gekauft. Sie sind einfach da“, schreibt ein unbekannter Autor. Und das stimmt. Der Kugelschreiber ist eins der beliebtesten Werbegeschenke unserer Zeit. Rund eine Milliarde davon werden pro Jahr weltweit produziert. Bei einer Durchschnittslänge von 13 Zentimetern ist das genug, um die Erde ganze 3,24 Mal zu umrunden. Es wundert nicht, dass ein derart inflationär auf den Markt geworfenes Schreibwerkzeug eher stiefmütterlich behandelt wird. Der gemeine Werbekuli ist sozusagen das Feuerzeug der Nichtraucher – bis man merkt, dass man ihn hatte, ist er auch schon wieder weg.

Hochwertige Stifte. Für ein gutes Schreibgefühl.

Dabei gibt es so gute Gründe, sich einen Kugelschreiber fürs ganze Leben anzuschaffen. Und die beschränken sich nicht nur auf die geschätzten 7.000 Tonnen Kunststoffmaterial, die so pro Jahr gespart werden könnten. Die Qualität eines Kugelschreibers misst sich an der Summe der Details. Ein hochwertiges Stück ist nicht nur rundherum aus erstklassigem und haltbarem Material gefertigt, es hat auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Gewicht und Volumen. Da der Schwerpunkt stimmt, liegt der Stift gut in der Hand. Der erforderliche Kraftaufwand beim Schreiben bleibt daher gering. Dazu sorgt ein ergonomisch optimierter Griffbereich für eine komfortable, unverkrampfte Handhabung – Seite für Seite für Seite.

Auch die innere Funktionalität hält, was das Äußere verspricht: Eine hochwertige Mine lässt sich leicht aktivieren und trocknet nicht aus. Bis zu 600 A4-Seiten können damit beschrieben werden – mehr schafft kein anderes Schreibgerät. Das Schriftbild eines Kugelschreibers von Format ist klar und gleichmäßig. Die Spitze kratzt nicht, sondern gleitet leicht über das Papier. Die Tinte tritt kontinuierlich aus, schmiert oder kleckst nicht und ist dabei licht- und dokumentenecht.

Falls Sie das noch nicht überzeugt hat, wie wäre es damit: Hochwertige Kugelschreiber sind gut für die Gesundheit. Schätzungen nach sterben jährlich zwischen 100 und 300 Deutsche an abgekauten und verschluckten Kugelschreiberteilen. Mit einem Schreibgerät von Qualität begeben Sie sich ein ganzes Stück weit aus der Gefahrenzone – es sei denn, Sie heißen Zbigniew Krycsiwiki. Richtig, das ist der mit dem Metallgebiss aus James Bonds „Moonraker“.

Die Reformation des Schreibgeräts. Der Kuli, die Jahrhundertidee.

Die Geschichte des Kugelschreibers beginnt in den 1930er Jahren mit klecksenden Füllfederhaltern und der guten Beobachtungsgabe des ungarischen Journalisten László József Bíró. Glaubt man den Überlieferungen, bringt ihn das Betrachten einer laufenden Druckerwalze auf die zündende Idee. Es gibt aber auch die Version, in der er sich von murmelspielenden Kindern inspirieren lässt, die ihre Kugeln durch Pfützen rollen und damit Spuren auf den Boden malen. Wie dem auch sei, fest steht, dass Bíró zusammen mit seinem Bruder György, einem Chemiker, und dem Schreibmaschinenfabrikanten Andor Goy einen nachfüllbaren Kugelschreiber konstruiert, der mit einer zähflüssigen, nicht eintrocknenden Tinte schreibt. 1938 lässt er die Konstruktion patentieren und bringt sie unter dem Namen „Go Pen“ auf den Markt.

Doch bevor seine Erfindung ihm zu Ruhm, Ehre und ordentlich Zaster verhelfen kann, macht der Krieg dem Tüftler einen Strich durch die Rechnung, denn László József Bíró hat jüdische Wurzeln. Bedingt durch den wachsenden Einfluss der Nationalsozialisten in Ungarn flieht er zunächst nach Frankreich und später nach Argentinien. Erst hier verpasst er seiner Erfindung den letzten Schliff und bringt den Stift auf den Markt. Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Doch anstatt diesen bis zum Lebensende auszukosten, verkauft Bíró seine Patentrechte bereits kurze Zeit später an den englischen Geschäftsmann Henry George Martin. Dieser beginnt ab 1944 in England mit der Produktion. Als einer der ersten Abnehmer ordert die Royal Air Force 30.000 Stück für ihre Piloten. Dem globalen Höhenflug des Kugelschreibers steht nun nichts mehr im Wege.

In den nächsten Jahren folgen weltweit mehrere, mehr oder weniger erfolgreiche, Plagiate. Der erste amerikanische Versuch eines Kugelschreibers, der „Reynolds Rocket“, endet 1951 mit der Pleite seines Produzenten Milton Reynolds – die Stifte schreiben nicht flüssig und klecksen. Dagegen scheffelt der französische Baron Marcel Bich ab 1950 mit seiner billigen Plastikversion des Kugelschreibers, dem „Bic“, Millionen – der Stift verkauft sich bis heute massenhaft. Als Spätzünder wird vermutlich die Volksrepublik China in die Geschichte eingehen. Erst Anfang 2017 feierte sie den ersten selbst entwickelten Kugelschreiber als großen Durchbruch. Interessanterweise hatte sich gerade das für seine Kopien bekannte Land jahrelang erfolglos an einer funktionierenden Minenspitze versucht. Vom eigentlichen Erfinder des Kulis, László József Bíró, ist übrigens nicht nur die Idee geblieben. In vielen Ländern der Welt heißt der Stift bis heute nach seinem Erbauer: „Biro“.

Der Kuli. Ein Instrument zwischen Kunst und Wissenschaft.

Wer im Kugelschreiber nur ein bloßes Schreibgerät sieht, tut ihm Unrecht – es steckt viel mehr in ihm als seine Mine. Gut, manches ist sicherlich ein wenig ausgeschmückt, zum Beispiel die Geschichte rund um den berühmten Bullet Pen, der sich auch als „Space Pen“ einen Namen machte. Einer Mär nach soll seine Entwicklung der NASA eine Million Dollar wert gewesen sein, doch diese Information ist mittlerweile klar als „non testatum“ identifiziert. Auf Deutsch: Es handelt sich um eine journalistische Ente. Wahr ist, dass die Astronauten der NASA die von Paul C. Fisher 1953 entwickelte Gasdruckmine benutzten, weil sich damit auch kopfüber in Schwerelosigkeit schreiben ließ. In Auftrag gegeben hat die NASA die Entwicklung aber nicht. Trotzdem: Mit einem Kugelschreiber lässt sich Großes vollbringen.

Das Mittel der Beweisführung.
Es gibt Disziplinen, da würde nie jemand die Nützlichkeit von Kugelschreibern infrage stellen. Zum Beispiel die Psychologie. Im Jahr 2016 wiesen die beiden Forscher Christopher K. Hsee und Bowen Ruan durch Experimente nach, was viele von uns vielleicht schon immer geahnt haben: Die Neugier ist stärker als die Vernunft. Sie nannten ihre Entdeckung den „Pandora-Effekt“ – benannt nach jener jungen Dame aus der griechischen Mythologie, die auch besser noch mal durchgeatmet und zum Yoga gegangen wäre, anstatt diese vermaledeite Dose aufzumachen und damit die ganze Welt mit Unheil zu überziehen. „Pandoras Büchse“ im Experiment waren Stromstöße austeilende Kugelschreiber. Man mischte sie unter ganz normale Artgenossen, ließ die Teilnehmer aber im Unklaren darüber, welche Stifte nun welcher Sorte angehörten. Die Probanden konnten die Kulis entweder drücken oder liegen lassen. Sie ahnen sicher, was passiert ist. Immerhin wurde der Effekt ja nachgewiesen.

Die Kreativität in der Kugelspitze.
Zur Kunst hat der Kugelschreiber dagegen ein eher problematisches Verhältnis. Zwar hat er in Paris bereits sein eigenes kleines Museum, aber das widmet sich eher seiner kulturellen Bedeutsamkeit. Und die ist schließlich unbestritten, anders als sein künstlerisches Talent. Hier zu überzeugen fällt dem Kugelschreiber deutlich schwerer – seine Konstitution steht ihm im Weg. Viele Experten sprechen ihm per se jegliche Kunstfertigkeit ab. „Das Aufdrücken der Kugelspitze bringt keinerlei Veränderung der Strichstärke zustande“, schreibt der Kunsthistoriker Walter Koschatzky in seinem Buch „Die Kunst der Zeichnung“. „Daher schließt sich eine künstlerische Verwendung nahezu aus. Zeichnungen mit Kugelschreiber weisen einen durchweg toten Strichcharakter auf.“ Nun wird ja die Kunst bekanntermaßen von den Künstlern geschaffen und nicht von den Kunstkennern. Für den Kugelschreiber ist das ein Glücksfall, denn die Nutzlosigkeit des Schreibgeräts ist den Kunstschaffenden offensichtlich noch nicht aufgefallen. Ob nun tote Striche oder nicht, als Malinstrument erfreut sich der Kuli wachsender Beliebtheit. Größen wie Horst Janssen und Thomas Hirschhorn haben ihn benutzt. Der spanische Maler Juan Francisco Casas ist bekannt für seine großformatigen, fotorealistischen Kuli-Gemälde. Und auch der Ghanaer Enam Bosokah schafft seine emotionalen Portraits ausschließlich per Kugelschreiber. 2017 hat die österreichische Künstlerin Teresa Paltram übrigens den nach Walter Koschatzky benannten Kunstpreis gewonnen. Raten Sie mal, womit sie einen Teil ihrer eingereichten Arbeiten gezeichnet hat. Genau – mit dem Kuli.

Oh Schreck, ein Fleck. Auf die Tinte kommt es an.

Doch all seinen Fähigkeiten zum Trotz hat der Kugelschreiber auch seine schwarze – oder blaue? –Seite. Manchmal reicht eine kleine Unachtsamkeit. Sie untermalen Ihren Vortrag mit ein paar ausholenden Gesten zu viel oder stecken den Kugelschreiber ein, ohne vorher den Minenmechanismus ordnungsgemäß betätigt zu haben – und schon breitet sich Kugelschreibertinte in dürren Strichlein oder als solider Klecks auf Ihrer Kleidung aus. Doch keine Sorge, wenn Sie jetzt schnell handeln, ist der Tintenschmutz schon nach der nächsten Wäsche Geschichte.

  • Grundsätzlich gilt: Unabhängig von Tinte und Stoff lassen sich Kugelschreiberspuren umso schlechter entfernen, je mehr Zeit vergangen ist und je trockener die Tinte geworden ist. Haben Sie keine Chance dem Fleck sofort zu Leibe zu rücken, versuchen Sie ihn zumindest feucht zu halten. Auf keinen Fall sollten Sie ihn ausreiben – Abtupfen reicht an dieser Stelle völlig aus. Die Tinte dringt sonst umso tiefer in den Stoff ein.
  • Tinte auf Wasserbasis: Sie erkennen wasserlösliche Tinte daran, dass sie „ausfranst“, wenn Sie sie befeuchten. Hier sollten einige Tropfen Flüssigwaschmittel eigentlich reichen. Betupfen Sie den Fleck, bis er sich löst, oder weichen Sie das Kleidungsstück direkt einige Minuten ein. Waschen Sie es anschließend in der Waschmaschine.
  • Wasserfeste Tinte: Derartige Flecken sind hartnäckiger, aber nicht unbesiegbar. Sie brauchen bloß stärkere Mitstreiter – Reinigungsalkohol oder Aerosol, Letzteres ist zum Beispiel in ganz normalem Haarspray enthalten. Auch Essigsäure soll gute Dienste leisten können. Tränken Sie den Stoff, bis sich der Fleck zu lösen beginnt, und tupfen Sie die frei werdende Farbe ab. Zum Schluss waschen Sie das Kleidungsstück wie gewohnt. Aber Achtung: manche Stoffarten, zum Beispiel Viskose, vertragen keinen Alkohol. Sie sollten diese Methoden also auf jeden Fall vorher an einer nicht sichtbaren Stelle des Kleidungsstücks testen.

Natürlich gibt es Kleidungsstücke, die generell eine chemische Reinigung benötigen. An diese legt man bei einem Kulimalheur besser nicht selbst Hand an. Halten sie den Tintenfleck trotzdem so lange feucht, bis Sie das Kleidungsstück in die Reinigung bringen können. Dann stehen Ihre Chancen auch hier gut, es ohne Kugelschreiberspuren zurückzubekommen.

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