Sofas

Wer heute an sein Sofa denkt, visualisiert den Feierabend, sieht sich bereits mit hochgelegten Füßen in einem Roman versinken, neben sich ein Glas Rotwein, oder stellt sich vor, wie er beim Fernsehen entspannt den Tag ausklingen lässt. Weiterlesen

Ratgeber

Das Sofa. Von der Horizontalen in die Vertikale und zurück.

Wer heute an sein Sofa denkt, visualisiert den Feierabend, sieht sich bereits mit hochgelegten Füßen in einem Roman versinken, neben sich ein Glas Rotwein, oder stellt sich vor, wie er beim Fernsehen entspannt den Tag ausklingen lässt. Das Sofa ist ein Synonym für häusliche Gemütlichkeit, der Mittelpunkt des Wohnzimmers, ein Ort familiären Zusammenseins, steht für Erholung und Gemeinschaft und lädt ein, den Alltag hinter sich zu lassen. Das war nicht immer so. Und vor allem nicht für jeden.

Die Kline. Ein Sofa-Vorläufer?

Sitzen oder gar liegen, und das am helllichten Tage, galt lange als Privileg. Zwar verbringen die meisten Menschen mittlerweile einen großen Teil ihrer Zeit sitzend, die Bedeutung dieser Haltung als Vorrecht und Luxus spiegelt sich aber auch heute noch in den Regeln des höflichen Umgangs wider, nach denen man sich erst nach Aufforderung setzt oder höhergestellten Persönlichkeiten seinen Stuhl anbietet.

So waren die ersten Personen, die in den Genuss eines Sitz- oder Liegemöbels kamen, das annähernd dem heutigen Sofa gleichzusetzen ist, auch ausnahmslos privilegierte Personen. Zwar sollen bereits die alten Ägypter Unterlagen geflochten haben, die sie mit Kissen, Decken und Fellen aufpolsterten, als erster echter Verwandter des Sofas gilt jedoch die antike Kline – eine oft marmorne oder hölzerne Liege mit hochgebogenem Kopfende, auf der Griechen und Römer nicht nur tagsüber ruhten, sondern auch zu speisen pflegten. Die komfortable, liegende Haltung, seitlich aufgestützt, unterstrich dabei die herausragende Sonderstellung gegenüber dem einfachen, stehenden Volk.

Gut gepolstert. Aus der Liege wird ein Sofa.

Bis aus der Kline ein Sofa wurde, wie wir es heute kennen – ein gepolstertes und mit Stoffen bespanntes Gestell –, sollte es aber noch dauern. Erst zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert begannen Tischler und Sattler damit, hölzerne Rahmen mit tierischen und pflanzlichen Polstermaterialien zu befüttern und im Anschluss mit Stoff zu beziehen: Möbel, die auch in dieser Zeit ausschließlich dem Adel vorbehalten waren, allein schon aus monetären Gründen. Gepolstert saß nur, wer auch finanziell über ein gutes Polster verfügte. Oder besser „lag“, denn auch die ersten Sofas der frühen Neuzeit waren meist der vertikalen Tagesruhe vorbehalten. Sie standen in den privaten Gemächern, oft in den feinen Boudoirs der Damen, Rückzugsorten zwischen Wohn- und Schlafzimmer, und fristeten ein namenloses Dasein. Das Wort „Sofa“ – ein Lehnwort vom arabischen ṣuffa, was so viel wie gepolsterte Ruhebank bedeutet – hielt erst Ende des 17. Jahrhunderts in den deutschen Sprachgebrauch Einzug. Vermutlich musste es sich erst aufraffen – es lag so bequem.

Haltung bitte. Es geht in die Vertikale.

Wann genau sich die Körperhaltung auf dem Sofa von der Horizontalen in die Vertikale verlagerte, ist schwer zu sagen. Fest steht, dass das berühmte erste Chesterfield Sofa um 1770 – damals wie heute wuchtig, ledern und mit unzähligen tieferliegenden Knöpfen im Rautenmuster versehen – bereits dezidiert dafür vorgesehen war, aufrecht darauf zu sitzen, mondän und zugleich bequem, sodass die Kleidung des Herrn keine Falten werfen möge. Als Namensgeber dieses Möbels gilt der 4. Earl of Chesterfield, Philip Dormer Stanhope, den die Welt vor allem als Verfasser zahlloser Briefe an seinen Sohn in Erinnerung behalten sollte, in denen er über den Verfall der Sitten klagte und über „die anstrengende Kunst, ein Gentleman zu werden“ referierte. Ob der Briefwechsel auf dem Sofa entstand oder ob die Idee für das Sofa möglicherweise aus den Gedanken der Briefe heraus erwuchs, ist nicht überliefert. Das stilvolle Sitzen jedoch fand spätestens zu diesem Zeitpunkt Eingang in die Geschichtsschreibung.

Rein mit den Federn. Der Schwung kommt ins Sofa.

1822 wurde das Sofa dank des Ideenreichtums des Wiener Polstermöbelherstellers Georg Junigl noch komfortabler, denn er ließ sich die Sprungfederung patentieren. Auch optisch wirkte sich diese Neuerung aus: Um die Federn zu verstecken – nicht nur vor dem Auge, sondern auch vor dem anspruchsvollen Gesäß – war eine wesentlich dickere Polsterung erforderlich als bisher.

Das Sofa als verdinglichtes Sinnbild des Biedermeier.

Während „draußen“ die industrielle Revolution voranschritt und erstmals ermöglichte, Sofas in Massen zu produzieren, zog sich das Bürgertum in die private Gemütlichkeit zurück und lebte diese vor allem auch durch seine Möbel: Das Sofa wurde zum Symbol behaglicher Wohnkultur und verklärten Familienidylls, ohne dabei jedoch in allzu große Bequemlichkeit abzudriften.

Das Biedermeier-Sofa zeichnete sich durch eine ausgesprochen hohe Sitzposition aus und führte dadurch fast automatisch zu einer diszipliniert-aufrechten und augenscheinlich kultivierten Haltung, was zu bürgerlichen Tugenden wie Fleiß, Bescheidenheit und Pflichtbewusstsein und dem gleichzeitig vorhandenen neu erstarkten Selbstbewusstsein passte.

Aber auch im nach außen gerichteten, halboffenen Wohnbereich, der vor allem der Repräsentation diente, fand das Sofa seinen natürlichen Platz: als Ort gepflegter Konversation eines vornehmen Publikums, als Ort standesgemäßen Empfangs seiner Gäste.

Von der Sofagarnitur zur Liegelandschaft.

Die restliche Kulturgeschichte des Sofas ist vergleichsweise schnell erzählt und differenziert sich doch ungemein aus. Es etablierte sich zunächst die Sofagarnitur, ein Set, das anfangs meist aus einem Sofa, zwei Sesseln und gegebenenfalls passenden Stühlen bestand. Mit dem 20. Jahrhundert demokratisierte sich die Sitzmöbelkultur, und das Sofa oder die Garnitur – nun zu erschwinglichen Preisen zu haben – zog als allgemeingültiger Bestandteil in die Wohnzimmer der Nation. Zunächst noch zurückhaltend, mit der Zeit immer dominanter und opulenter, bis die verschiedenen Möbel zuletzt vermehrt zu einer zusammenhängenden, tiefergelegten Liegelandschaft verschmolzen und die biedermeierlich-formelle Behaglichkeit vollends einer heimelig-zwanglosen Gemütlichkeit wich. Man war vom Liegen über das Sitzen wieder beim Liegen angekommen. Oder zumindest beim entspannten Fläzen.

Möbel, die eher zurückhaltenden Charme versprühen, ohne sich dabei gleich auf gesellschaftliches Parkett zu begeben oder steif zu wirken, haben aber auch heute noch ihre Berechtigung. Das Küchensofa beispielsweise, gerne auch als Ostfriesensofa bezeichnet, durch seinen hohen Fuß eine aufrechte Sitzposition befördernd und daher besonders gut für den Kontext bei Tisch geeignet, taugt durch die abklappbaren Armlehnen gleichermaßen für ein Nickerchen nach dem Essen. Genauso das modulare Klappsofa: eingeklappt ein wunderbarer Ort, um zu lesen, ausgefahren ein vollwertiger Bettersatz. Die Zeiten absoluter Möbelmoden sind Geschichte. Heute findet man leicht ein Sofa für jeden Geschmack und jeden Zweck: zum Sitzen oder auch zum Liegen.

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