Ratgeber

Das Telefon. Klingelt da was?

Ein Leben ohne Telefon ist heute kaum noch vorstellbar. In seiner mobilen Variante ist das Gerät allgegenwärtig, kaum zu ignorieren, beständig klingelt es irgendwo, wir sind jederzeit zu erreichen, egal wo wir sind. Fluch oder Segen? Diese Diskussion wird wohl nie abgeschlossen sein. Dabei sind die Zeiten, als das Telefonieren noch ein örtlich gebundenes Vergnügen war, vielen noch in frischer Erinnerung: verknotete Telefonschnüre, Wählen per Fingerlochscheibe, Warten auf ein freies Münztelefon oder auch darauf, dass andere Familienangehörige die einzige Leitung freimachten.
Während man heute oft im Vorbeigehen telefoniert, nur mit einem Ohr beim Gesprächspartner, die unaufhörliche Interaktion eine Mischung aus Pflicht und Gewohnheit, war die fernmündliche Kommunikation noch vor wenigen Jahren eine viel fokussiertere Angelegenheit, was sicherlich nicht zuletzt mit der immobilen Gerätschaft zusammenhing. Und selbst damals galt das Telefon vielen bereits als ubiquitär – einerseits unersetzlich und andererseits Störenfried. Wir denken (und das betrifft viele Bereiche des Lebens): Es ist immer das, was man daraus macht. Manch einem mag das klassische W 48 vielleicht helfen, Gesprächen das nötige Gewicht zu verleihen, ein anderer entschleunigt damit seinen Alltag und der Dritte schätzt das Telefon aufgrund seiner Optik. Wie dem auch sei: Eine Bereicherung ist es allemal. Auch (und vor allem) in Zeiten des Handys.

„Über die Fortpflanzung des Schalls und der Stimme in Röhren“. Die Vorgeschichte des Telefons.

Große Erfindungen zeichnen sich dadurch aus, dass andere sie sich nicht vorstellen können, solange sie nicht existieren, aber sobald sie sich dann durchgesetzt haben, kaum noch ohne sie leben mögen. So erging es seinerzeit auch dem Telefon.

Die Vorstellung, sich auch über große Entfernungen unterhalten zu können, erregte die Gemüter bereits im 18. Jahrhundert. Erste Versuche, den Schall über Röhrensysteme zu verbreiten, scheiterten zwar, die grundsätzliche Idee setzte sich aber fest und wurde von verschiedensten Erfindern unabhängig weiterverfolgt. Ernst wurde es um das Telefon erstmals in den 1830er Jahren, als es dem Amerikaner Samuel F.B. Morse gelang, Signale (obgleich nicht akustischer Natur) mithilfe elektrischer Impulse zu übermitteln. Weitere 17 Jahre später forschte der französische Telegrafenbeamte Charles Bourseul in seiner Freizeit an der Übertragung von Lauten, wurde dafür jedoch von seinen Zeitgenossen verspottet, was ihn – wer würde es ihm verübeln wollen – entmutigte, sodass er seine Arbeiten daran niederlegte.

Viele der ihm nachfolgenden Pioniere der Telefontechnik brachten es zwar zu prinzipiell funktionierenden Gerätschaften oder zumindest Apparaten, die als Vorläufer betrachtet werden können, scheiterten jedoch ebenfalls an der öffentlichen Anerkennung – so wie der Deutsche Philipp Reis – oder an den finanziellen Möglichkeiten zur Patentierung, Produktion und Vermarktung ihrer Erfindungen – ein Schicksal, das die Italiener Antonio Meucci und Innocenzo Manzetti teilten. Mitte der 1870er Jahre ging es dann plötzlich Schlag auf Schlag: Glaubt man der Überlieferung, war es ein Vorsprung von lediglich zwei Stunden, der dazu führte, dass man Alexander Graham Bell als Erfinder des Telefons in Erinnerung behielt.

Eine patente Idee. Das Telefon kommt zur Marktreife.

Obgleich seine Pläne für ein Telefon noch alles andere als ausgereift waren, ließ Bell am 14. Februar 1876 von seinem zukünftigen Schwiegervater und Geschäftspartner Gardiner Greene Hubbard einen noch sehr im Trüben fischenden Patentantrag einreichen. Die Zeit drängte, denn auch die Konkurrenz scharrte bereits mit den Füßen: Nur zwei Stunden später erschien Elisha Gray auf dem Amt – im Gegensatz zu Bell mit einer ausgereiften und präzise dokumentierten Idee. Man würde meinen, dass dieser Umstand ihm zugutegekommen sei, jedoch hatte das Patentamt einige Jahre zuvor beschlossen, dass ein funktionierendes Modell keine Grundlage für einen Antrag bilden sollte, weshalb Bell der Vorzug und seinem Antrag drei Wochen später stattgegeben wurde.

Bell, der sich auf die Vorarbeiten von Reis stützte, erkannte die Notwendigkeit, für die Wiedergabe von Sprache den Stromfluss zu modulieren, statt ihn regelmäßig zu unterbrechen – er plante ihn im Rhythmus des Schalls schwingen zu lassen. Gemeinsam mit einem Assistenten arbeitete er auch bereits an einer Umsetzung, die sich auf die elektromagnetische Induktion stützte. Zum Zeitpunkt der Patentanmeldung war sein Telefon jedoch mitnichten funktionsfähig. Ob und inwiefern das Gerät, das er wenige Monate später der Öffentlichkeit vorführte, Elemente seines Konkurrenten verwendete – er also möglicherweise Zugriff auf die Patentschrift Grays gehabt hatte –, war in den folgenden Jahren Gegenstand eines gar endlosen Patentstreits um das Telefon. Schlussendlich gelang es Gray jedoch nicht, seine Ansprüche durchzusetzen, und so vermochte es Bell, als erster Mensch nicht nur ein gebrauchsfähiges Telefon zu produzieren, sondern auch auf den Markt zu bringen. Verbindlichsten Dank dafür.

Die Telefon-Evolution im Schnelldurchlauf.

Bereits ein Jahr später, im Jahr 1877, liefen die ersten erfolgreichen Übertragungsversuche in Deutschland und die Aufträge für weitere Bell-Telefone wurden an die Firma Siemens & Halske vergeben. Anfang der 1880er Jahre entstanden die ersten deutschen Fernsprechnetze, das Berufsbild „Fräulein von Amt“ kam auf – nette, junge Damen, die einkommende Gespräche manuell weitervermittelten – und bereits 1910 gab es eine Million Telefon-Teilnehmer im Deutschen Reich. Das entspricht zwar bei Weitem nicht der heutigen Dichte an Geräten pro Einwohner, ist jedoch durchaus beachtlich und zeigt bereits zu diesem frühen Zeitpunkt die steigende Relevanz des Telefons im Alltag.

Die Entwicklung ging vom auf Vermittlung angewiesenen Telefon mit Kurbelindikator, der dem Amtsfräulein den Verbindungswunsch kommunizierte, über Geräte mit automatischem, mechanischem Gesprächsaufbau hin zu den heutigen digitalen Netzen. Fingerlochscheiben wurden von Tastenfeldern abgelöst, andere Systeme wie der von Siemens & Halske entwickelte Trommelwähler konnten sich hingegen nicht durchsetzen – die Nagelbruchgefahr beim Ausführen der linearen Bewegung von oben nach unten auf einem rotierenden Zylinder führte vor allem an der weiblichen Front zu massivem Widerstand.

Während der Markt für Telefone heute kaum noch überschaubar ist und sich die Hersteller mit immer neuen Funktionen überbieten, waren lange Jahre Einheitstelefone gang und gäbe – Geräte, die von der Post nur leihweise an den Kunden übergeben wurden und sich auf das Wesentliche beschränkten: Man konnte mit ihnen telefonieren. Das W 48 Telefon war unter diesen Standardmodellen nicht nur eines der formschönsten, sondern dank Bakelit-Ausführung auch nahezu unzerstörbar und leistete Jahr um Jahr unverzagt seinen Dienst. Und tut es heute noch – zumindest wenn man in der glücklichen Lage ist, eines der originalen Modelle sein Eigen zu nennen. Die Neuauflage im Manufactum Sortiment hat zwar noch nicht so viele Jahre auf dem Buckel, ist aber durchaus in der Lage sie anzuhäufen, denn sowohl in Sachen innere als auch äußere Werte steht sie dem Original in nichts nach. Und das Beste: Sie müssen dieses Exemplar niemals wieder aus der Hand geben. Zumindest dann nicht, wenn Sie in der Nähe Ihres Telefonanschlusses bleiben.

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